Logik der Systeme
(Ideenfragmente)

von
Anton Reutlinger
Dipl.-Inform.

 

 

München, 1994

 

 

 

Einführung

Es gibt einige Begriffe, deren Verwendung in der jüngsten Vergangenheit erheblich zugenommen hat. In fast jedem Satz wird heutzutage das Wort "System" verwendet. Aber wer weiß eigentlich, was ein System wirklich ist? Es gibt Dutzende von Definitionen für diesen Begriff; es gibt aber keine, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde. Sie sind weder vollständig, noch eindeutig, noch universell und vor allem nicht formal. Im allgemeinen wird ein System als eine Menge von Elementen definiert, die zueinander in Beziehung stehen, oder es werden die Eigenschaften von Systemen genannt, um sie gegen "Nichtsysteme" abzugrenzen. Es wird jedoch nicht gesagt, welcher Art die Mengen und die Beziehungen sind. So lautet beispielsweise die Definition eines Systems nach DIN 19226:

Ein System ist eine abgegrenzte Anordnung von aufeinander einwirkenden Gebilden.

In der Umgangssprache wird sehr großzügig und nachlässig mit dem Systembegriff umgegangen. Er ist oftmals Ausweg und Ersatz für mangelnde Präzision der Sprache. In den Wissenschaften dagegen hat jedes Fachgebiet seine eigenen Systeme. Man spricht von Informations- und Kommunikationssystemen, Sonnensystemen, Gesellschafts- oder Sozialsystemen, technischen, politischen, biologischen, ökologischen Systemen, usw.

Entsprechend hat jeder Wissenschaftszweig seine eigene Systemtheorie: z.B. die Systemtheorien der Elektrotechniker, der Nachrichtentechniker, der Wirtschaftswissenschaftler, der Politologen usw. Es gibt kaum Ansätze zu einer universellen, vom Fachgebiet losgelösten Theorie der Systeme, obwohl der Begriff "System" wie dargestellt für alle möglichen Gebilde verwendet wird. Allein diese Tatsache ist ein Hinweis darauf, daß alle sogenannten Systeme etwas Gemeinsames haben müssen. Es liegt also auf der Hand, diese Gemeinsamkeiten aus den speziellen Eigenschaften der Systeme herauszufiltern und eine universelle Systemtheorie zu begründen. Dabei sind die Notwendigkeit und die Vorteile einer universellen Systemtheorie klar erkennbar:

- die Einheitlichkeit der Sprache erleichtert die Kommunikation über Systeme,
- die Erkenntnisse lassen sich auf viele Arten konkreter Systeme übertragen,
- zur Analyse und Beschreibung von Systemen können formale, standardisierte Methoden angewandt werden.

Die notwendige, starke Abstraktion der Begriffe und Thesen erschwert zweifellos ihre unmittelbare Nutzanwendung für konkrete Systeme. Deshalb ist sie nicht als Ersatz für fachspezifische Theorien, sondern als deren Ergänzung zu betrachten. Dies ist vermutlich der Grund, warum die allgemeine Systemtheorie des Biologen Ludwig von Bertalanffy (1951) wie auch die Kybernetik Norbert Wieners (1948) bis heute kein größeres Echo gefunden haben.

Der Hauptgedanke, der dieser Arbeit zu Grunde liegt, ist die Auffassung, daß jedes Objekt und jeder Vorgang der realen Welt ein System oder Teil eines Systems ist. Damit und mit Hilfe einer universellen Systemdefinition wird es möglich, alle Objekte und Vorgänge unserer Welt einheitlich zu analysieren und zu beschreiben.

Da man nicht annehmen kann, daß diese Auffassung überall Anerkennung findet, kann man ein Universum definieren, in dem diese Behauptung gelten soll. Die Definition ist jedoch noch nicht genügend, wie später gezeigt wird.

Ein UNIVERSUM ist eine Ansammlung von Systemen

Alle Erkenntnisse des Menschen führen zu Informationen, indem allen Gegenständen und Vorgängen der realen Welt Namen gegeben werden. Dadurch ist es dem Menschen möglich, über diese Dinge zu kommunizieren, ohne das jeweilige reale Ding konkret vor Augen haben zu müssen. Das heißt, daß alle diese Dinge als Informationen vorhanden sind, oder anders ausgedrückt, daß es dual zu der realen Welt eine "Welt der Informationen" gibt. In dieser Welt gelten ausschließlich die Gesetze der Logik, so daß die Gesetze der realen Welt, also die Naturgesetze, dual sind zu den Gesetzen der Logik. Das bedeutet, daß man von Erkenntnissen, die man durch Anwendung der Logik in der Welt der Information gewonnen hat, auf Naturgesetze schließen kann. Beispiele dafür gibt es in der Physik genügend, siehe die Relativitätstheorie von Einstein oder Erkenntnisse aus der Quantenphysik, wo auf Grund von Berechnungen Prognosen gemacht wurden, die durch gezielte Experimente und Beobachtungen verifiziert werden konnten. Beschränkungen liegen in den Eigenschaften der Sprache, besonders ihrer Unvollständigkeit und fehlenden Präzision und Eindeutigkeit, sowie in der Tatsache, daß die Schöpfung neuer Begriffe die Erkenntnis ihrer Gegenstände voraussetzt.

Aus diesen Gründen und zur Abgrenzung gegen die fachspezifischen Systemtheorien wird hier der Begriff "Systemlogik" dem Begriff "Systemtheorie" vorgezogen.

Ziele der Systemlogik:

Zusammenfassend können folgende erstrebenswerte Ziele der Systemlogik genannt werden:

1. Begründung einer universellen Systemtheorie.
2. Weiterentwicklung/Überprüfung existierender, fachspezifischer Systemtheorien.
3. Begründung einer Methodik der Systementwicklung und Systembeschreibung.
4. Formulierung von Richtlinien für Systementwicklung und Systemkonstruktion.
5. Entwicklung von standardisierten Hilfsmitteln zur Systementwicklung.
6. Beschreibung von Methoden zum Betrieb und Management von Systemen.
7. Begründung eines Systemkalküls zur formalen Analyse von Systemen.
8. Erzeugung eines logischen Weltmodells/Universums.

Systemdefinition

Die Voraussetzung für eine solche Theorie ist aber zunächst eine Definition des Systembegriffs, die so abstrakt ist, daß sie alle Arten von Systemen erfaßt und unabhängig ist von den Eigenschaften konkreter Systeme. Die Definition muß universell sein. Außerdem muß sie formal sein, damit Systeme mit der Sprache und den Methoden der Mathematik, speziell der Logik, analysiert, beschrieben und erzeugt sowie betrieben werden können.

Ein SYSTEM ist eine Anordnung von
- Prozessoren und
- Schnittstellen zwischen Prozessoren.
Jeder Prozessor ist ein System zur Ausführung von Prozessen.

Ein PROZEß ist die Veränderung von Systemen durch einen Prozessor.
SCHNITTSTELLEN sind Übertragungswege zwischen sendenden und
empfangenden Systemen zum Transport von Systemen in Raum oder Zeit.

Diese Definition des Systembegriffs ist offensichtlich rekursiv. Daraus ergibt sich ein "Schichtenmodell" von Systemen. Das heißt, jedes Modul eines Systems, also ein Prozessor innerhalb eines Systems, kann selbst als System aufgefaßt und weiter in feinere Strukturen aufgelöst werden. Die konsequente Durchführung dieser Überlegung führt zu interessanten Erkenntnissen über "Elementarsysteme". Zusammen mit Definitionen für Raum und Zeit erhält man ein "Raum-Zeit-Modell" von Systemen, das für eine Vielzahl realer Systeme ausreichend ist, nicht jedoch für physikalische Systeme, weil die Begriffe "Energie", "Kraft" und "Masse", die sich vermutlich hinter dem Begriff "Anordnung" verstecken, noch nicht befriedigend erforscht und definiert sind.

Die Untersuchung des Systembegriffs erfordert die Definition weiterer Begriffe, die damit im Zusammenhang stehen und von außerordentlicher Bedeutung sind. Die Begriffe "Raum" und "Zeit" sind elementar für das Verständnis von Systemen und für das Verständnis unserer Welt überhaupt.

RAUM ist der Abstand zwischen zwei Prozessoren
ZEIT ist der Abstand zwischen zwei Prozessen

Die Definitionen haben zuallererst zur Folge, daß Raum bzw. Zeit nur dort vorhanden sind, wo Prozessoren bzw. Prozesse vorhanden sind. Prozesse setzen Prozessoren voraus.

Daraus wird eine Struktur der Prozesse (zeitliche Struktur) und eine Struktur der Prozessoren (räumliche Struktur) abgeleitet. Hier kommt eine Dualität von Raum und Zeit zum Ausdruck, die in der Systemlogik noch öfters eine Rolle spielen wird.

Zusätzlich zu den Definitionen sind zwei wichtige Annahmen zu machen, ohne die eine Logik der Systeme nicht möglich wäre:

  1. Zwei Systeme können nicht gleichzeitig an einem Ort sein. Andernfalls könnten alle Systeme des Universums sich in einem einzigen, unendlich kleinen Punkt vereinigen und es könnte keine logische und stabile Ordnung im Universum geben. Die gegenseitige Durchdringung räumlich verteilter Systeme wird dadurch nicht ausgeschlossen.
  2. Ein System kann nicht gleichzeitig an mehreren Orten sein. Andernfalls müßte es eine unendlich große Geschwindigkeit geben und es könnte keine logische und stabile Ordnung im Universum geben.

Abgrenzung von Systemen

Die Betrachtung von Systemen ist nur dann sinnvoll, wenn sie gegenüber ihrer Umwelt (der Systemumwelt) abgegrenzt werden. Die Grenze des Systems ist seine Systemkontur, der Systemrand oder seine Systemoberfläche. Sie fungiert im allgemeinen auch als Schnittstelle zwischen System und Umwelt (besonders Licht und Luft). Jedes System ist in eine Systemumwelt eingebettet und hat Schnittstellen dazu, welche jedoch nicht immer unmittelbar erkennbar sind. Der Systemhintergrund bezeichnet die Materialien, sowie die naturwissenschaftlichen oder technischen Grundlagen und Funktionsprinzipien eines Systems. Sie beeinflussen das beabsichtigte wie auch das unbeabsichtigte Verhalten von Systemen, werden aber meist als bekannt vorausgesetzt oder apriori angenommen und daher in Systembeschreibungen nicht explizit aufgenommen.

Beschreibung und Betrieb von Systemen

Die Beschreibung eines Systems, als Systemspezifikation bezeichnet, umfaßt alle Eigenschaften des Systems. Hervorzuheben sind dabei als Mindestanforderung die Beschreibung der funktionalen Eingangs- und Ausgangsschnittstellen und die Funktion oder Wirkung des Systems, die zusammen als funktionale Spezifikation bezeichnet werden. Sie steht bei technischen Systemen am Anfang der Systementwicklung (Lastenheft). Die Systemspezifikation (auch Pflichtenheft) enthält zusätzlich technische, betriebliche, wirtschaftliche und andere Anforderungen an das System sowie die Eigenschaften des Systems und ist meist formlos als Text, angereichert mit Zeichnungen und Grafiken vorhanden. In aller Regel ist sie unvollständig und mißverständlich, wodurch bei der Entwicklung und Konstruktion technischer Systeme Zeitverluste, Mehrkosten und Sicherheitsrisiken entstehen.

Neben der Beschreibung des Gesamtsystems ist für das Management, besonders für Betriebsplanung und Betriebsüberwachung von Systemen die Beschreibung von Systemzuständen notwendig. Für die Planung des Systembetriebs ist zunächst die Angabe des Systemzustandes hinsichtlich der Verfügbarkeit sinnvoll: betriebsbereit oder nicht betriebsbereit. Für das in Betrieb befindliche System sind seine eindeutige Bezeichnung, sowie Ort und Zeitpunkt bzw. Zeitintervall betrieblicher Zustände unabdingbar. Die Angabe des Einsatzzweckes ist notwendig, wenn das System für verschiedene Zwecke bzw. Aufgaben einsetzbar ist. Schließlich ist die Angabe der Leistung (inklusive Maßeinheit) notwendig, um den Betrieb und die erbrachte Leistung oder das Betriebsergebnis des Systems bewerten, optimieren und abrechnen zu können.

Aufgabe der Systemdisposition ist die Soll-Ist-Überwachung und die korrigierende Steuerung des Systems zur Einhaltung des Betriebsplanes. Aus sicherheitstechnischen und aus logistischen Gründen sind meist weitere, jedoch vom konkreten System und von der Betriebsform abhängige Attribute zu überwachen.

Zweck, Wirkung und Funktion von Systemen

Systeme führen Prozesse aus oder sind Gegenstand von Prozessen. Dementsprechend lassen sich aktive (dynamische) und passive (statische) Systeme unterscheiden.

Systeme sollen durch ihre Wirkung einen vorgegebenen oder einen erkennbaren Zweck erfüllen oder einem Ziel des Systemkonstrukteurs oder Systembetreibers - also der Systemumwelt - dienen. Zweck der Anwendung eines technischen Systems ist die Veränderung eines Zustandes, ausgedrückt durch substantivierte Verben wie "Verbesserung" und dergleichen, wobei das Ziel in diesen Fällen nicht präzise bestimmt ist. Der Zweck eines Teilsystems ist dem Zweck des Gesamtsystems untergeordnet. Module dagegen haben keinen autonomen Zweck. Systeme, die ihre Ziele selbst bestimmen, sind autonome Systeme. Die Definition beinhaltet die Fähigkeit zur Zielerreichung und in echt autonomen Systemen auch die Fähigkeit zur Zielverifikation.

Die Wirkung, Aufgabe oder Funktion (Effektivität; nicht zu verwechseln mit der Funktionsweise) ist Kennzeichen eines aktiven Systems (Prozeßsystems) . Sie beruht auf der Veränderung der Systeme, die über die Eingangsschnittstellen zugeführt werden (Prozeßgut, Prozessat). Aus der Definition folgt, daß eine Veränderung eines Systems im wesentlichen eine Veränderung seiner Struktur, also der Anordnung seiner Module, oder eine Kombination mit anderen Systemen ist. Anders ausgedrückt ist ein Prozeß die Transformation von einem Zustand in einen anderen. Mathematisch kann die Wirkung eines Systems durch die Übertragungsfunktion y = f(x) - besser y = f(x, t) - oder in speziellen Fällen durch eine Übergangsfunktion w = y/x beschrieben werden. Das die Eingangsgrößen charakterisierende "x" ist Gegenstand der Veränderung und wird durch den Prozeß zu y umgeformt. Es sind komplexe Größen, die den Vektor der Eingangsschnittstellen bzw. der Ausgangsschnittstellen beschreiben.

Während es bei technischen Systemen meist genügt, Input und Output zu berücksichtigen, so muß bei natürlichen Systemen auch der innere Zustand des Systems berücksichtigt werden, da er sich im Systembetrieb verändert. Deshalb ist die Übertragungsfunktion zu erweitern zu y = f(x, t, c), wobei c (condition) den inneren Zustand des Systems beschreibt. Außerdem kann der innere Zustand als Funktion des Inputs angegeben werden, da der Output bei diesen Systemen meist nicht im Zentrum des Interesses steht: ct+1 = f(x, t, ct).

Die Systemwirkung beschreibt das Ergebnis, den Output eines Systems im Verhältnis zum oder in Abhängigkeit vom Systeminput, während die Systemfunktion den Prozeß beschreibt. Bei der Beschreibung der Systemwirkung wird das System als "black box" betrachtet.

 

Die Wirkung von Systemen ist nur durch Vergleich von Eingangs- und Ausgangsschnittstellen erkennbar.

Prozesse können nicht direkt, sondern nur an Schnittstellen beobachtet werden. Durch Beobachtung von Teilsystemen und Modulen an deren Ausgangsschnittstellen zum Beobachter (wenn vorhanden) kann der Ablauf von Prozessen indirekt beobachtet werden. Die Wirkung eines Systems erscheint für einen Beobachter als Phänomen. Da jeder Beobachter selbst ein komplexes System ist, können verschiedene Beobachter dieselbe Wirkung verschieden erfassen und interpretieren. Die Wirkung eines Systems kann schon durch die Anwesenheit eines Beobachters - Beeinträchtigung des verfügbaren Raumes - oder dessen Aktivität beeinflußt werden.

Der Ablauf von Prozessen kann nicht direkt beobachtet werden.

Die Wirkung eines Systems beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Transformation des Prozessats, sondern beinhaltet sehr häufig auch eine Transformation bzw. Veränderung seiner selbst und seiner Umwelt. Beispiele sind der Verschleiß in technischen Systemen und Verfall, Krankheit und letztlich der Tod lebender Systeme. Auch Veränderungen des Systemzustandes können nur an Ausgangsschnittstellen beobachtet werden. Ein nur beobachtendes System unterliegt ebenfalls einer Veränderung im Verlauf einer Beobachtung. Zu unterscheiden ist zwischen vorübergehenden (reversiblen) und dauerhaften (irreversiblen) Veränderungen. Darin unterscheiden sich wesentlich lebende und nichtlebende, künstliche Systeme.

Ein Prozessor kann nicht sein eigenes Prozessat sein. Es hätte sonst die Zerstörung des Prozessors zur Folge.

System und Organisation

Systeme sind im allgemeinen dadurch gekennzeichnet, daß jedes Systemmodul einen bestimmten Zweck erfüllt, der durch die Konstruktion des Moduls einerseits und den Systemzweck andererseits vorgegeben ist. Es gibt jedoch Elemente, die multifunktional einsetzbar sind, beispielsweise besonders Menschen und Computer. Das bedeutet, es muß eine Zuordnung von Element zu Funktionszweck vorgenommen werden - vor Inbetriebnahme des Systems oder sogar im laufenden Betrieb. Dieser Vorgang wird als Organisation bezeichnet. Aber auch die Systeme mit dieser Charakteristik - beispielsweise Unternehmen und Institutionen - werden so bezeichnet. Bei Menschen als Systemmodulen ist zu berücksichtigen, daß sie ihr Verhalten selbst bestimmen und ändern können!

System und Komplexität

Der Systembegriff impliziert in aller Regel per se eine hohe Komplexität. Intuitiv versteht man darunter Dinge, die aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt sind. Aus der Systemdefinition ergibt sich sowohl eine Komplexität von Prozessoren als auch eine Komplexität von Prozessen. Das bedeutet, es gibt drei Komponenten der Komplexität:

  1. eine strukturelle Komplexität, die sich aus der Anzahl der Teilsysteme und ihrer hierarchischen Tiefe ergibt.
  2. eine funktionale Komplexität, die sich aus der Anzahl unterschiedlicher Prozesse und ihren Abhängigkeiten ergibt. Gleichbedeutend damit ist die Anzahl unterscheidbarer, von einander unabhängiger Systemzustände ein bestimmender Parameter der Komplexität.
  3. eine relationale Komplexität, die sich aus der Anzahl und den Eigenschaften der Schnittstellen zur Umwelt und innerhalb des Systems ergibt.

Diese Parameter dienen der groben Einschätzung der Komplexität. Ein hinreichend genaues Maß, auch zur Vergleichbarkeit verschiedener Systeme, ist bis heute nicht gefunden. Eine extrem hohe Anzahl von Systemzuständen beispielsweise ist charakteristisch für biologische Systeme.

Kenngrößen von Systemen:

xi Eingangsgrößen; Zustand der zugeführten Systeme
yi Ausgangsgrößen; Zustand der abgeführten Systeme
s Ort eines Systems
t Zeitpunkt eines Prozesses/Ereignisses
x(t) Zustand in Abhängigkeit von der Zeit
x(s) Zustand in Abhängigkeit vom Ort
dx Abstand zwischen zwei Zuständen
ds Abstand zwischen zwei Systemen
dt Abstand zwischen zwei Prozessen/Ereignissen
n Anzahl identischer (Elementar-)Module in einem System
T Prozeßdauer (Systemzeit)
TR "Rüstzeit" zwischen zwei Prozessen
1/T Prozeßfrequenz (Durchsatz)

Abgeleitete Größen und mögliche Analogien zur Physik.
ds/dt Geschwindigkeit
dv/dt Beschleunigung
dv/ds Raumbeschleunigung
dx/dt Wirkungsschnelligkeit (Leistung)
dx/ds Wirkungsdichte (Kraft)
n/ds Systemdichte

dx ist nur indirekt über Schnittstellen meßbar in Form von physikalischen, oder anderen Meßgrößen (z.B. elektr. Spannung), die aber in der Regel nur einen Teilaspekt (einen "Ausfluß") der Systemstruktur widergeben. dx/dt gibt an, wie schnell ein Prozeß ausgeführt wird (Systemleistung). dx/ds ist ein Maß für Zustandsänderungen pro Raumeinheit, wird in der Praxis aber nicht verwendet.

Jeder Prozeß kann nur so lange stattfinden wie die Eingänge bedient werden, oder das System über "Reserven" verfügt. Ein System ist aktiv, wenn mindestens ein Modul oder ein Teilsystem aktiv ist.

Wesensarten von Systemen

Die Entwicklung, Konstruktion oder Erzeugung von Systemen kann an unterschiedlichen Zielen orientiert sein: maximaler Output, optimale Funktion oder minimaler Input.

Outputorientierte Systeme: technische Systeme, Produktionssysteme
Funktionsorientierte Systeme: physikalisch-chemische Systeme, soziale Systeme
Inputorientierte Systeme: natürliche Systeme, biologische Systeme
Zweckorientierte Systeme: technische, ökonomische Systeme
Zielorientierte Systeme: kognitive, intelligente Systeme

Natürliche Systeme sind zweckfrei. Das bedeutet u.a., daß biologische Systeme nicht einem Zweck einer externen Instanz folgen können (oder müssen), sondern die verfügbaren Ressourcen der Umwelt optimal nutzen müssen. Biologische Systeme, die mit den Ressourcen nicht auskommen, sind nicht existenzfähig (natürliche Selektion). Mit anderen Worten: die biologische Evolution kann nicht zweck- oder zielgerichtet (teleologisch) sein. Die vermeintliche Zweckorientierung lebender Systeme wie auch die Zielorientierung kognitiver Systeme ist nur im Rahmen des verfügbaren Inputs möglich (Es ist noch keinem Menschen gelungen, die Antarktis ohne Nahrung und Kleidung zu durchqueren).

Schnittstellen von Systemen

Schnittstellen dienen der Übertragung (Transport, Transmission) von Systemen zwischen Systemen in Raum oder Zeit. Sie sind Übertragungswege zwischen sendenden und empfangenden Systemen. Dazu gehört jeweils eine Sendeeinrichtung (Ausgangsschnittstelle), eine Empfangseinrichtung (Eingangsschnittstelle) und der Übertragungs- oder Transportweg zwischen den Systemen selbst. Über Schnittstellen werden Systeme übertragen. Ort und Zeit des transportierten Systems werden verändert, während seine Struktur grundsätzlich unverändert bleibt. Besonders in technischen, aber auch in biologischen Systemen können jedoch Reibungsverluste oder Störeinflüsse auftreten. Deshalb sind dort für den Transport aktive Systeme (Transportsysteme) notwendig, um die Verluste oder Verzerrungen auszugleichen. Schnittstellen führen immer zu Systemmodulen, nicht zum Gesamtsystem. Übertragung im Raum erfordert Zeit, Übertragung in der Zeit erfordert Raum.

Zu beachten ist, daß der Transport eines Systems prinzipiell immer drei Zustandswechsel bewirkt: den Zustandswechsel am Ausgangsort, den Zustandswechsel am Zielort und den Zustandswechsel des Transportgutes selbst. In der Praxis interessieren meist nur die Zustandswechsel am Zielort oder der Zustandswechsel des Transportgutes. Aus Gründen der Ökologie dagegen - das Schlagwort ist Nachhaltigkeit - interessiert zunehmend auch der Zustandswechsel am Ausgangsort. Innerhalb geschlossener Systeme, aber auch in biologischen Organismen, bewirken die Zustandswechsel am Ausgangsort und am Zielort die Verkettung kybernetischer Wirkungen und erzeugen damit komplizierte Wirkungskreise.

Die Übertragung zwischen Systemen erfolgt ausschließlich über Schnittstellen.
Systeme sind nur an den Eingangsschnittstellen beeinflußbar und nur an den Ausgangsschnittstellen wahrnehmbar und beobachtbar.

Es gibt offene Übertragungswege wie den Raum für Licht oder Schall und geschlossene Übertragungwege wie Kabel, Pipelines oder Förderbänder. Bei offenen Übertragungswegen handelt es sich nicht um einzelne, sondern jeweils um eine Vielzahl voneinander unabhängiger, aber gleichartiger Schnittstellen. Dieser Umstand ist häufig Ursache für trügerische Beobachtungen und Erkenntnisse, u.a. im Hinblick auf vermeintliche Gleichzeitigkeit von Beobachtungen. Geschlossene Übertragungswege bilden häufig selbst wieder Schnittstellen zu ihrer Umgebung, jedoch von anderer Art als ihrem Zweck entsprechend (z.B. Wärmeübertragung durch Wände, elektromagnetische Abstrahlung von Kabeln).

Ein beobachtetes System kann sich von seinem Beobachter nur entfernen, da der Übertragungsweg zwischen den Systemen aus logischer Sicht nur Redundanz bedeutet. Anhand von Beispielen kann diese Behauptung verifiziert werden. Man denke z.B. an die Beobachtung des Mondes mit einem stationären Fernrohr oder an das Stethoskop des Arztes. Auf Grund der physischen Begrenzung der Lichtgeschwindigkeit jedoch spielen Übertragungswege für die Funktion komplexer Systeme, wie des Gehirns beispielsweise, eine hervorragende Rolle, indem die Kommunikation zwischen Teilsystemen und die Synchronisation von Prozessen zeitabhängig werden. Die Systemdichte wird hier zu einem entscheidenden Parameter für die Effektivität.

Die Messung der Zeit setzt ein Schnittstellensignal zwischen dem beobachteten Prozeß und dem Zeitmeßsystem (Uhr) voraus. Die Laufzeit des Signals ist bei der Zeitmessung zu berücksichtigen. Eine Veränderung der Laufzeiten aufgrund von Relativbewegungen verändert auch die gemessenen Zeiten, besonders dann, wenn das zu messende System sich ähnlich schnell bewegt wie das Schnittstellensignal (z.B. Schallgeschwindigkeit). Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß der Zeitmeßprozeß selbst auf Grund unterschiedlicher Bedingungen (Eigenbewegung, Kräfte) unterschiedlich schnell ablaufen kann und die Zeitmessung dadurch relativiert wird, unabhängig von und zusätzlich zur Relativitätstheorie Einsteins.

Ein System B, das von einem System A erzeugt oder ausgesandt wurde, hat mindestens eine Schnittstelle zu A.

Es gibt Schnittstellen zwischen Systemen, die auf Grund physikalischer Gegebenheiten immer vorhanden, für die Funktion eines Systems nicht apriori notwendig, aber Quellen versteckter Interaktionen sind. Beispiele sind die Reflexion des Lichts an Gegenständen, die Einwirkungen der Atmosphäre wie auch der Gravitation. Solche Schnittstellen sind charakteristisch und notwendig für das Leben auf der Erde (ohne sie gäbe es kein Leben), nicht jedoch für technische Systeme. Im allgemeinen bestehen zwischen Systemen mehrere Schnittstellen gleichzeitig, parallel und unabhängig voneinander, weshalb hier zwischen funktionalen Schnittstellen und Standardschnittstellen unterschieden wird. In der Praxis bleiben solche Standardschnittstellen häufig unberücksichtigt, da sie meist unbeeinflußbar sind oder als trivial angesehen werden. Einige Beispiele werden nachfolgend aufgeführt.

Systemkategorie

Standardschnittstellen

technisches System

Energie
Steuersignale
Abfall (Material, Wärme, Schall)

physikalisches System

Energie
Kraft (Gravitation)
Licht
Wärme

biologisches System

Nahrung, Stoffwechselprodukte
Information
Wärme
Licht

Informationssystem

Energie
Steuerinformation
Nutzinformation

Versteckte Interaktionen über Standardschnittstellen sind eine wesentliche Ursache für die ganzheitliche oder holistische Denkweise über Systeme bzw. Systemtheorien, da Interaktionen zwischen Systemen und Systemmodulen auch dann stattfinden, wenn sie nicht explizit beobachtet, analysiert und beschrieben werden können. Trotzdem ist für die Analyse von Systemen eine reduktionistische Sicht unumgänglich, da die implizite Komplexität anders nicht beherrschbar ist und unabhängig davon das Verständnis der Teilsysteme unverzichtbar ist. Andererseits ist für die Synthese und für die Erhaltung von Systemen eine integrative Sicht, d.h. die Berücksichtigung versteckter Interaktionen, berechtigt und erstrebenswert.

Versteckte Interaktionen können manchmal nur dadurch erkannt und nachgewiesen werden, indem man das zu analysierende System in eine "völlig fremde" Systemumgebung - z.B. Schwerelosigkeit - bringt und ihr dortiges Verhalten beobachtet. Zu bedenken ist allerdings, inwieweit dann auch der Beobachter sein Verhalten ändert.

Auf einem Übertragungsweg werden Systeme nicht nur einzeln nacheinander, sondern auch parallel oder in Folgen, d.h. Strukturen von Systemen, übertragen. Es liegt aber einzig und allein an den Eigenheiten des Empfängers, also weder am Sender noch am Übertragungsweg, ob die Strukturen als solche erkannt werden. Dies hat unmittelbar Konsequenzen auch für Psychologie und Neurologie (Philosophie des Konstruktivismus).

Kenngrößen für Schnittstellen sind:

Art von Sender, Empfänger, Übertragungsweg
Ort von Sender, Empfänger, Übertragungsweg
Zweck (Art des transportierten Systems)
Kenngrößen des transportierten Systems (Form, Größe, Gewicht)
Beginn und Ende der Übertragung T
Länge des Übertragungsweges s
Übertragungsdauer t
Anzahl übertragener Systeme n
Abstand zwischen übertragenen Systemen
Zeitdauer zwischen übertragenen Systemen
Übertragungsrate n/t
Übertragungsdichte n/s
Übertragungsgeschwindigkeit v = s/t
statische Kapazität n/s
dynamische Kapazität n/t

Um Systeme untereinander überhaupt wahrnehmen zu können, müssen sie über mindestens eine gemeinsame Schnittstelle verfügen. Das bedeutet, daß Systeme genau dann zu einem Universum gehören, wenn sie alle über eine gemeinsame Schnittstelle verfügen. Damit kann die Definition für den Begriff "Universum" verfeinert werden:

Ein UNIVERSUM ist eine Ansammlung von Systemen, die alle über mindestens eine gemeinsame Schnittstelle verfügen.

Daraus folgt andererseits, daß es für jedes System nur ein einziges Universum geben kann, da ein Universum ohne gemeinsame Schnittstelle nicht wahrnehmbar ist, und wenn es wahrnehmbar ist, dann zu diesem Universum gehört.

Schnittstellen bergen die wichtigsten Eigenschaften von Systemen. Es kann gezeigt werden, daß die Transformation von Systemen letztlich auf die Transmission zwischen Systemen zurückzuführen ist.

Steuerung von Systemschnittstellen

Die Steuerung bzw. Synchronisation einer Systemschnittstelle zur Übertragung und Kommunikation zwischen zwei oder mehr Systemen dient in der Regel dazu, einen den Zweck erfüllenden Ablauf eines Prozesses sicherzustellen (Systemkybernetik).

Es gibt genau vier Möglichkeiten der Übertragung zwischen Systemen.

1. Steuerung durch Sender

halbsynchron

interrupt/push

Unterbrechung

2. Steuerung durch Empfänger

halbsynchron

polling/pull

Rundruf

3. Steuerung von außen

synchron

clock

Uhr, Takt

4. keine Steuerung

asynchron

mailing

Briefkasten

Neben der übertragenden Schnittstelle sind u.U. noch Schnittstellen (Kanäle) zur Übertragung der Steuersignale notwendig und es sind bestimmte zeitliche Bedingungen zu erfüllen: Zwischen Sendezeit und Empfangszeit ist die Übertragungsdauer zu berücksichtigen. In einem komplexen, getakteten System müssen die Taktzeiten folglich größer sein als die Übertragungszeiten zwischen den Systemmodulen.

Eine asynchrone Übertragung erfordert zusätzlich zum Übertragungsweg einen Puffer; eine synchrone Übertragung erfordert ein externes Steuerelement (Uhr) und eine halbsynchrone Übertragung erfordert einen Rückkanal für die Synchronisation (z.B. Telefon). Offene Übertragungswege sind oftmals richtungsneutral und dienen daher gleichzeitig als Rückkanal. Ein Puffer kann ein ständig bereiter Empfänger oder ein eigenständiges Übertragungs- und Verteilsystem sein (z.B. Mailboxsystem), so daß beliebig komplexe Variationen der elementaren Übertragungsformen möglich sind. 1:n-, n:1- und m:n-Übertragungen sind Erweiterungen der 1:1-Übertragung. Die asynchrone Übertragung kann aus einer halbsynchronen, sendergesteuerten Übertragung zwischen Sender und Puffer, sowie einer halbsynchronen, empfängergesteuerten Übertragung zwischen Empfänger und Puffer; zusammengesetzt sein. Ein Puffer ist dann überflüssig, wenn der Sender permanent dasselbe sendet, wie z.B. die Gravitation. Eine weitere Variante asynchroner Kommunikation ist der "Weckruf" des Senders an potentielle Empfänger bevor die eigentliche Übertragung beginnt. Ist der Empfänger einer Übertragung ständig bereit, wie es in natürlichen Systemen und in Regelungssystemen notwendigerweise häufig der Fall ist, dann handelt es sich um halbsynchrone Kommunikation, ohne Erfordernis eines Rückkanals.

In der Natur kommt es häufig vor, daß ein System ziellos sendet, wie z.B. die Sonne, also auch wenn kein Empfänger darauf wartet. In diesen Fällen ist ein Rückkanal nicht erforderlich und die Reichweite der meist offenen Schnittstelle ist ein wesentlicher Parameter dafür, ob das Signal zufällig einen Empfänger erreicht, der innerhalb der Reichweite ist. Ob ein Empfänger in Reichweite eines Senders ist, ergibt sich oftmals auch aus dessen "Populationsdichte". Eine Besonderheit ist, wenn die Empfänger ihrerseits zu Sendern werden und quasi verzugslos die Übertragung weiterreichen, so dass Effekte wie Synergetik und Selbstorganisation entstehen.

Halbsynchrone Übertragungen sind bei allen biologischen Systemen in Bezug zu ihrer Außenwelt anzutreffen. Dabei ist meist der Sender der aktive Partner (z.B. bei Paarungsritualen), während bei kognitiven und bei technischen Systemen in der Regel der Empfänger initiativ ist. Dabei ist eine Rückwirkung vom passiven auf den aktiven Partner gegeben, wenn der aktive Partner auf den passiven Partner warten muss, wobei u.U. der Systemausfall droht, wenn der Partner nicht mehr antwortet. Es findet also implizit eine Wechselwirkung des Verhaltens statt (handshaking), die bei der Erforschung von Ursache-Wirkungs-Relationen, bzw. beim Design solcher Systeme manchmal vernachlässigt wird.

Da alle Prozesse letztlich auf Wechselwirkungen zwischen Teilsystemen bzw. Modulen, also auf Formen der Systemübertragung, zurückzuführen sind, ist das Prinzip der Systemsteuerung von außerordentlicher Bedeutung. Es ist logisch ein sehr einfaches Gesetz und daher eines der fundamentalen Naturgesetze.

Die für die Systemkybernetik grundlegende Eigenschaft der Rückwirkung bzw. der Rückkopplung (Feedback) ist eine besondere Form der Kommunikation zwischen Systemen, wobei stets ein geschlossener Kreislauf (Loop) der Übertragung besteht. Die Schnittstellen sind jedoch nicht zwingend gleichartig, d.h. von System A zu System B können andere Systeme übertragen werden als von B zu A. Ein Loop kann mehr als zwei Systeme umfassen. Da jedes System in eine Systemumwelt eingebettet ist, gibt es dazwischen stets Schnittstellen mit Kommunikationsmöglichkeit und der Möglichkeit des Feedback, die als Rückwirkung erkennbar wird. Ein Beispiel dafür ist die Rückwirkung der natürlichen Selektion auf die Variation der Spezies im Verlauf der Evolution.

Während ein Empfänger stets, d.h. unendlich lange empfangsbereit sein kann, kann ein Sender nicht unendlich senden, ohne selbst unendlich zu empfangen. Es besteht folglich prinzipiell eine logische Asymmetrie zwischen Sendern und Empfängern.

Dimensionen eines Systems

Systeme, die über gleichartige Eingangs- und Ausgangsschnittstellen verfügen, können durch gegenseitige, fortgesetzte Verknüpfungen mit anderen Systemen Strukturen bilden. Ein Beispiel ist eine eindimensionale Menschenkette oder eine zweidimensionale Fläche von Rechtecken. Die Anzahl bezieht sich auf Paare von Eingangs- und Ausgangsschnittstellen oder auf die doppelte Anzahl symmetrischer Schnittstellen. Die Behauptung hat zur Folge, daß Systeme unterschiedliche Dimensionen, entsprechend unterschiedlicher Arten von Schnittstellen, haben können. Das kann bedeuten, daß nicht der Raum an sich, sondern alle Systeme in ihrer räumlichen Ausdehnung 3-dimensional sind.

Definition:

Die DIMENSION eines Systems ist die Anzahl gleichartiger, voneinander unabhängiger Schnittstellen.

Mehrdimensionalität, also das Vorhandensein mehrerer gleichartiger Schnittstellen, ist die Voraussetzung zur Bildung komplexer Strukturen. Beispiele sind organische Makromoleküle, biologische Zellverbände und soziale Organisationen.

Systemkriterium

Ein Systemkriterium soll Antwort auf die Frage geben: Wann gehört ein System A zu einem System B? Es ist zu unterscheiden zwischen hinreichenden und notwendigen Bedingungen.

hinreichende Bedingung:

Ein System A gehört zu einem System B, wenn sowohl eine funktionale Eingangs- als auch eine Ausgangsschnittstelle zu System B vorhanden ist und wenn die Funktionsweise des Systems B von der Funktion des Systems A abhängig ist.

notwendige Bedingung:

Es gibt mindestens eine funktionale Schnittstelle zwischen System A und System B.

Theorie der Elementarsysteme

Die aus der Definition folgende schrittweise Verfeinerung von Systemen, bzw. deren Modulen, bis zur letzten Konsequenz führt zu "Elementarsystemen" (ES) mit folgenden Eigenschaften:

- ein ES enthält keine inneren Schnittstellen
- ein ES hat deshalb keine innere Struktur
- ein ES kann deshalb nicht verändert werden
- ein ES ist deshalb ein "Punkt" in Raum und Zeit

Ein Elementarsystem ist daher als "logisches Atom" zu betrachten.

Grundsätzlich kann angenommen werden, daß es ES geben muß: Jedes System, das kein ES ist, kann in seine Module zerlegt werden, denn die Erkenntnis, dass ein System zusammengesetzt ist, beruht bereits auf einer Zerlegung bzw. setzt die Zerlegbarkeit voraus!

Daraus ergeben sich verschiedene Fragen:

- Wie sieht ein ES aus?
- Haben ES immer dieselbe Form und Größe?
- Welche Eigenschaften hat ein ES?
- Wieviel verschiedene ES gibt es?
- Sind ES immer existent?
- Welche Prozesse führt ein ES aus?
- Wie sehen die Schnittstellen eines ES aus?

Schnittstellen von ES:

Frage: Sind die Eingangs- und Ausgangsschnittstellen von ES verschieden oder identisch?

Antwort: Die Eingangs- und Ausgangsschnittstellen von ES sind identisch.

Begründung:

Wenn AUSGANG = b und EINGANG = a ist, dann muß im ES ein Prozeß stattfinden, der a in b umwandelt. Dazu sind innerhalb des ES Schnittstellen erforderlich, was der Definition eines ES widerspricht. Daraus folgt, daß die Schnittstellen identisch sein müssen, d.h. a = b. Das vom Eingang zum Ausgang zu übertragende System ist das ES selbst. Das ES ist identisch mit seiner Schnittstelle.

Da innerhalb des ES aufgrund der homogenen "Struktur" kein Prozeß stattfinden kann, d.h. es kann sich nicht selbst verändern, stellt es einen unveränderlichen Speicher für a dar. Ein ES kann allerdings andere Systeme verändern, indem es sich einem andern System anschließt oder es verläßt.

Sorten von ES:

Frage: Wieviele Sorten von ES gibt es?

Antwort: Es gibt nur eine Sorte von ES (in einem Universum)!

Begründung:

Unter Annahme der Existenz mehrerer Sorten von ES gilt: ES verschiedener Sorten, A und B, besitzen keine "passenden" Schnittstellen (a ungleich b), so daß solche Systeme nicht miteinander verknüpfbar wären (keine Wechselwirkung) und komplexere Systeme nicht möglich wären.

Das legt den Schluß nahe, daß in einem Universum die elementare Schnittstelle "durchgängig" ist bis zum größtmöglichen System. Ein Universum ist also gekennzeichnet durch sein Elementarsystem. Da ein Elementarsystem die denkbar einfachste und unveränderliche "Struktur" darstellt, ist zu vermuten, daß es überhaupt nur ein einziges (kanonisches) Universum gibt Es kann eine Ansammlung einzelner, voneinander unabhängiger, aber wechselwirkender Elementarsysteme sein, oder es kann ein einheitliches Ganzes sein, das lokal unterschiedliche Zustände einnehmen kann, die aber im gesamten Universum miteinander verknüpft sind.

In diesen Überlegungen liegt ein fundamentaler Widerspruch wie auch eine der interessantesten Fragen der Welt: wenn das Universum aus einem einzigen, strukturlosen Elementarsystem aufgebaut ist, dann muss es ein gigantischer, aber toter Kristall ohne Komplexität sein, wogegen die tatsächlich beobachtbare Komplexität der realen Welt, besonders des Lebens, bereits im Elementarsystem angelegt sein müßte. Der Ausweg kann nur in einer Unbestimmtheit oder Undeterminiertheit des Elementarsystems, in einer Mehrzahl bzw. Superposition möglicher innerer Zustände oder im Vorhandensein verschiedener Schnittstellen (Dimensionen) desselben liegen. Jedenfalls sind physikalische Elementarsysteme nicht als winzige und statische "Billardkügelchen" zu verstehen, sondern vielmehr als elementare Kommunikationssysteme.

 

Weitere Fragen und mögliche Antworten zu ES:

Gibt es einen "Elementarprozeß"?
- Da ein ES nicht veränderbar ist, kann ein Elementarprozeß
nur eine Bewegung sein.

Gibt es eine Elementarzeit (te) = Zeitquant?
- Die Zeit für einen Elementarprozeß

Gibt es einen Elementarabstand (se) = Raumquant?
- Der "Durchmesser" eines ES

Gibt es eine Elementargeschwindigkeit?
- c = se/te

heuristische Annahmen:

- Es muß eine Wechselwirkung zwischen ES geben, da es andernfalls keine komplexen Systeme geben könnte.
- Die Lichtgeschwindigkeit c ist die einzige Geschwindigkeit im Universum. Andere Geschwindigkeiten entstehen durch Relativbewegungen innerhalb komplexer Systeme.
- Es kann kein Meßgerät geben, das Werte messen kann, die kleiner sind als die Elementarzeit bzw. der Elementarabstand. Diese Werte sind und bleiben undefiniert. Alle abgeleiteten Größen sind in diesem Bereich undefiniert.
- Es kann kein Meßgerät geben, das Werte messen kann, die kleiner sind als seine eigenen Meßsysteme. Das bedeutet, daß es nicht möglich ist, alle physikalischen Prozesse empirisch bzw. experimentell zu erfassen oder zu messen. Ein beschränkter Ausweg ist nur möglich durch Redundanz der Meßsysteme (Beispiel: Übereinanderlegung von zehn transparenten Linealen mit cm-Skala und gleichmäßige Verschiebung, so daß eine mm-Skala entsteht; alternativ zeitlich-räumliche Verschiebung eines einzigen Lineals).
- Freie Elementarsysteme, sofern es sie gibt, sind nicht direkt wahrnehmbar.
- Es ist nicht möglich, daß zwei Systeme "identisch" sind wegen der Undefiniertheit der Elementarsysteme.

Die Eigenschaften der Elementarsysteme sind grundlegend
für das Verständnis der Welt.

Bewegung von Systemen

Es gibt mindestens (vielleicht auch höchstens) drei unterschiedliche Formen von Bewegung, unterscheidbar in Existenz und Identität eines Systems:

  1. physische, kontinuierliche Bewegung eines Systems von A nach B (klassisch): existenz-/identitätserhaltend
  2. Vernichtung am Ort A und Erzeugung eines gleichartigen Systems am Ort B: existenz-/identitätswechselnd
  3. Fortpflanzung eines Phänomens durch Zustandsänderungen in A und B (z.B. Wellen): existenzerhaltend und identitätswechselnd

Aus Vollständigkeitsgründen wäre noch zu nennen: existenzwechselnd und identitätserhaltend. Das scheint aber ein logischer Widerspruch zu sein.

Es gibt im Universum nur eine einzige, endliche Geschwindigkeit.
Prozesse beruhen ausschließlich auf Bewegung der Elementarsysteme.

Die weitergehende Vermutung ist, daß es überhaupt keine Bewegung im klassischen Sinn gibt, sondern daß Bewegungen Änderungen von Raumzuständen sind, die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortpflanzen.

 

Systemausprägungen

- Ein MODUL ist ein Prozessor innerhalb eines Systems.
- Ein TEILSYSTEM ist eine "zusammenhängende" Menge von Modulen und Schnittstellen, die einem autonomen Zweck dient.
- Ein System, das die Wirkung eines anderen Systems rückgängig macht, ist ein INVERSES System. Ein inverses System macht auch die Zeit wieder rückgängig.
- Ein System, das keine internen Schnittstellen enthält, ist ein ELEMENTARES System.
- Ein System, das selbständig in seinen Ausgangszustand zurückkehrt, ist ein ZYKLISCHES (periodisches) System. Innerhalb des Systems ist nicht entscheidbar, wieviele Zyklen bereits durchlaufen sind.
- Ein System, das keine Prozesse ausführt, ist ein GEGENSTAND.
- Ein System, dessen Eingänge und Ausgänge ausschließlich der Beobachtung dienen, ist ein ABGESCHLOSSENES System.
- Ein System ohne Ausgänge ist ein PHANTOMSYSTEM. Es ist nicht wahrnehmbar!
- Ein System, wobei alle Ausgänge auf Eingänge zurückgeführt sind, ist ein AUTOSYSTEM.
- Ein System, das sich seine Ziele oder seinen Zweck selbst setzt, ist ein AUTONOMES System. Es bedingt allerdings auch die Fähigkeit zur Erreichung und Verifikation der Ziele.
- PROZEß- oder TRANSFORMATIONSSYSTEME dienen der Durchführung von Prozessen.
- TRANSPORT-, ÜBERTRAGUNGS- oder TRANSMISSIONSSYSTEME dienen ausschließlich der Übertragung von Systemen.

 

Systemkybernetik

Der Begriff Kybernetik stammt bekanntlich von Norbert Wiener und ist aus dem griechischen Wort für Steuermann abgeleitet. Für die Systemkybernetik soll der Begriff erweitert werden auf die allgemeine Bedeutung von Beeinflussung von Systemen oder Einwirkung auf Systeme. Dabei sind drei Formen zu unterscheiden: eine intendierte, zielgerichtete Einwirkung - die klassische Wienersche Steuerung und Regelung - sowie eine spontane (unwillkürliche, nicht intendierte) und eine "ontische" Form, d.h. eine allein durch die Existenz und Anwesenheit vorgegebene, passive Beeinflussung anderer Systeme. Diese besteht schon in der Beeinträchtigung des verfügbaren Bewegungsraumes. Spontane Einwirkung ist die Standardform der Biologie bzw. Biokybernetik und auch der Synergetik.

Neben den Formen der Einwirkung auf ein System ist die Reaktion des Zielsystems von gleichem Interesse, so dass die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Einwirkung und Reaktion im Zentrum der Kybernetik stehen. In technischen Systemen sind neben der Effektivität weitere Ziele wie die Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Effizienz, Qualität, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Resultate anzustreben.

Der Mensch als kognitives System ist besonders interessiert an der zielgerichteten Einwirkung auf seine Umwelt mit Hilfe technischer Systeme. Zur Erzielung der geplanten Systemwirkung und eines zweckmäßigen Gesamtprozesses ist die Steuerung, die Koordination und die Synchronisation der Teilprozesse notwendig. Dies erfolgt über

1. die Einwirkung auf Eingangsschnittstellen von Prozessoren
2. die Beobachtung des Systemoutputs bzw. der Systemwirkung
3. die Erzeugung und Übertragung von Steuerungssignalen

Die Beobachtung des Outputs und sein Vergleich mit Sollgrößen mit der daraus resultierenden Einwirkung auf Eingangsschnittstellen wird als Rückkopplung (Feedback) bezeichnet und ist die Grundfunktion der Regelungssysteme. Selbstregelnde Systeme wie lebende Organismen werden in der modernen Wissenschaft als autopoietische Systeme (Maturana und Varela) bezeichnet. Die wesentlichen Grundlagen der Kybernetik sind die Möglichkeiten und Formen von Kognition und Kommunikation. Kybernetische Teilsysteme bestehen deshalb aus Modulen für die Erkennung von Zuständen (Sinnesorgane, Sensoren) und für die Berechnung (Gehirn, Computer), Auslösung (Trigger), Übertragung (Kabel), Umwandlung (Wandler) und Aktivierung (Aktuatoren, Effektoren) von Steuersignalen. Die Outputs kybernetischer Module sind ausschließlich Inputs für andere Systemmodule - abgesehen von unerwünschten oder unvermeidlichen Outputs an die Systemumwelt.

Komplizierte, technische Systeme bestehen im allgemeinen aus drei Teilsystemen: einem Steuerungssystem (Computer), einem Schaltsystem (z.B. Ventil) und einem Arbeitssystem (z.B. Motor, Pumpe). Lebende Systeme dagegen haben kein Arbeitssystem, da sie keinen Zweck zu erfüllen haben. Deren kybernetisches System hat die Aufgabe, sich selbst zu erhalten (Autopoiese), wobei es hauptsächlich die eigene Energieversorgung aufrecht erhalten muß.

 

Grundformen kybernetischer Systeme:

 

 

 

Beispiele für Sensoren, Aktuatoren und Wandler in kybernetischen Teilsystemen:

- Sensoren: Kameras, Mikrofone, Fühler, Detektoren, Lichtschranken, Fotodioden
- Regler für Temperatur, Helligkeit, Druck, Leistung, Geschwindigkeit, Spannung, Strom
- Ventile: Durchlaß-, Richtungs-, Druckventile
- Schalter: Ein/Aus-, Stufenschalter
- Kodierer zur Komprimierung, Übertragung, Verschlüsselung von Information
- Multiplexer, z.B. in Vermittlungssystemen
- Wandler: A/D-, D/A-Wandler, Kodierer
- Filter, Pässe, Dosierer zur Extraktion von Teilmengen aus einer Gesamtmenge
- Sortierer, Vergleicher
- Entscheider, z.B. in Verteilsystemen, Planungssystemen
- Trigger zur Initiierung von Aktionen in Abhängigkeit von Zuständen

 

Es gibt unterschiedliche Betriebsarten kybernetischer Module:

- Module, die gewöhnlich in Ruhe sind und bei Aktivierung einen stets gleichartigen Output liefern (Alarmsysteme).
- Module, die vorübergehend aktiviert werden und einen inputabhängigen Output liefern (Steuerungssysteme).
- Module, die stets aktiv sind und einen input- und zustandsabhängigen, modulierten Output liefern (Regelungssysteme, biologische Systeme, physikalische Systeme).

Zu unterscheiden ist zwischen Regelkreisen und Wirkungskreisen. Regelkreisen wird extern eine Führungsgröße als Zielwert zugeführt und nach einem Soll/Ist-Vergleich wird die Steuergröße (Stellgröße) variiert, während Wirkungskreise keine Führungsgröße haben. Regelkreise sind daher in künstlichen Systemen und Wirkungskreise in natürlichen Systemen vorzufinden. Antagonistische Wirkungen (negative Rückkopplung), z.B. bei Anwesenheit von Ionen positiver und negativer Ladung, können allerdings zu einem dynamischen Gleichgewicht (Fließgleichgewicht) führen, das den Eindruck einer Führungsgröße vermittelt (Teleonomie).

Das Grundprinzip der Kybernetik eines natürlichen, komplexen Systems ist in den folgenden Abbildungen illustriert. Zwei oder mehr Teilsysteme stehen in meist vielfältiger Wechselwirkung zueinander, so daß ihre Inputs nicht nur von der Umwelt, sondern auch von der Funktion und dem Zustand der jeweils anderen Teilsysteme gegenseitig abhängig sind, so daß von "gegenseitiger Einwirkung" (mutual influence) gesprochen werden kann. Die Koppelungsmöglichkeiten steigen exponentiell mit der Anzahl der Teilsysteme und der Anzahl der Schnittstellen (kombinatorisch mit der Fakultät). Die Outputs und die inneren Zustände zeigen daher meist nichtlineares, sprunghaftes, oder gar chaotisches Verhalten, das aber durch eine große Zahl von Modulen (Moleküle, Zellen) stabilisiert und zu einem dynamischen Gleichgewicht geführt werden kann. Eine andere Facette von Regel- und Wirkungskreisen ist die Wirkung von Elementen einer Menge oder Struktur auf diese selbst und eine Rückwirkung der Menge bzw. Struktur auf die zugehörigen Elemente, so daß von "vertikalen" Wirkungsmechanismen gesprochen werden kann. Prägnante Beispiele sind die Wirkungen von Einzelpersonen über die Massenmedien auf die Gesellschaft als Institution und von dort zurück auf die Mitglieder der Gesellschaft.

Einfache Wirkungskreise oder gegenseitige Beeinflussung

 

Überlagerung von antagonistischen, beispielsweise attraktiven und repulsiven Wirkungen

Während es zwischen zwei Systemen nur eine einzige Wirkungsachse gibt, sind es bei drei Systemen bereits drei Wirkungsachsen. So kommt es bei einer Vielzahl von Einzelsystemen mit sich überlagernden, antagonistischen Wirkungen unterschiedlicher Stärke und Reichweite zu einem scheinbar chaotischen Verhalten bzw. zu emergenten Strukturen.

Nachwort

Die reale Welt ist naturgemäß komplexer als die hier dargestellten Systemstrukturen und Systemmechanismen. Tatsächlich aber beruht die Komplexität auf den Wirkungen einer großen Zahl oftmals gleichartiger Module, auf der Überschneidung unterschiedlicher, manchmal antagonistischer Wirkungen und auf der mangelnden Erkennbarkeit und der Vernachlässigung einzelner Wirkungen, wie z.B. der allgegenwärtigen, aber gerade deshalb oft vernachlässigten Schwerkraft. Während vom Menschen konstruierte, technische Systeme aus konstruktiven und logistischen Gründen klar gegliedert, die Teilsysteme funktional und technisch deutlich voneinander abgegrenzt sind, ist dies bei biologischen Systemen nicht der Fall, weil der Systemzweck und das Systemdesign durch eine externe Instanz fehlen.

Auch selbstorganisierende, selbstreferentielle oder emergente Systeme hoher Komplexität beruhen ausschließlich auf den grundlegenden Mechanismen der Naturgesetze. Ihre Interpretation ist eine Eigenschaft des in seiner Erkenntnisfähigkeit beschränkten Beobachters und seines Beobachtungs- und Bezugssystems, nicht des Systems selbst. Dabei ist zu bemerken, daß der Mensch prinzipiell nur emergente Eigenschaften, nicht dagegen die nativen Eigenschaften von Systemen beobachten kann. Der Erkenntnisgewinn durch die Konstatierung emergenter Eigenschaften, wie es von den modernen Systemwissenschaften Synergetik, Kognitionswissenschaft oder Kybernetik propagiert wird, sollte daher nicht überschätzt werden.

Selbstorganisierende (autopoietische) Systeme haben in jüngster Vergangenheit einen fast mythischen Status erreicht, da unverstandene Phänomene damit ohne Begründung erklärt werden können und die eigentlichen Ursachen verschleiert werden. Durch seine Unschärfe läßt sich der von Maturana und Varela für die Biologie eingeführte Begriff Selbstorganisation auf alle komplexeren Systeme übertragen, wie sie besonders in den Fachbereichen Biologie/Anthropologie/Psychologie und Soziologie/Ökonomie typisch sind. Daher ist Selbstorganisation auch in metaphysischen und esoterischen Kreisen sehr beliebt.

Die modernistischen Forderungen und Tendenzen zu vernetztem oder holistischem Denken machen nur dann Sinn, wenn die Art der Vernetzung konkretisiert und spezifiziert wird, was meist aber nicht der Fall ist. Die stereotype Wiederholung der bekannten Phrasen "das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" führt nicht zu den anerkannten Zielen. Notwendig ist dagegen die Kenntnis der vielfältigen Interaktionen zwischen den Teilsystemen, die nur über reduktionistische Analysen der Schnittstellen zwischen den Systemen zu gewinnen ist, und eine die relevanten Interaktionen integrierende Denkweise.

Die Veränderung eines Elementes einer Menge verändert auch die Menge selbst. Wenn ich den kleinen Finger bewege, dann verändere ich damit den Zustand des ganzen Universums. Diese Erkenntnis ist eigentlich banal, sie ist nur durch die notwendig reduktionistische, wissenschaftliche Betrachtungsweise des Menschen über Jahrhunderte unbeachtet geblieben.

Die Erkenntnis eines Systems, d.h. das Verständnis seiner Wirkungsweisen, Ursachen und Konsequenzen, ändert grundsätzlich nichts am Wesen des beobachteten Systems. Lediglich bei autonomen Systemen kann Selbsterkenntnis zu einer Veränderung des Verhaltens führen, indem Ziele oder die Pfade zu den Zielen verändert werden.

Die Evolution hat mit dem Menschen ein hochkomplexes, kybernetisches System hervorgebracht, das in der Lage ist, sich selbst und andere Systeme zu analysieren um ähnliche Systeme zu konstruieren. Die Systemkybernetik hat daher in der jüngsten Vergangenheit eine besondere Bedeutung erlangt, vor allem seit mit Erfindung von Sprache und Information es gelungen ist, den "Geist" des Menschen auf andere Substrate zu übertragen und künstliche Systeme damit so zu schaffen, daß sie den externalisierten Willen des Menschen ausführen.

Ob es sinnvoll ist und gelingen wird, künstliche Systeme mit eigener Intelligenz und autonomem Willen zu schaffen, ist eher eine Frage der Sprachphilosophie als der Technologie. Davon unabhängig ist aber die Behauptung, daß der menschliche Geist unmittelbar und nicht nur funktional, sondern essentiell mit seinem Substrat verbunden ist, so daß es definitiv nicht möglich ist, künstliche Systeme mit menschlichem Geist zu bauen.

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